Tödlicher Kaffee
von
Dalia Kapell
Das Telefon klingelte. Ich wachte auf und schielte auf meinen Wecker: 3 Uhr. Morgens. Ich stand auf und wankte zum Hörer. Ich nahm ab “Sherlock Ham, Polizeidetektiv, was kann ich für Sie tun?“, leierte ich in den Apparat. „Sherlock, bitte kommen Sie schnell ins Büro, es gibt…“ „Dr. West,“ unterbrach ich meinen Kollegen und Partner, „sagen Sie mal, was fällt Ihnen eigentlich ein? Wir haben 3 Uhr morgens!
Sind sie bei Sinnen?“ „Sherlock, bitte, es gibt einen Notfall. Machen Sie sich einen Tee, setzen Sie sich ins Auto und kommen Sie, so schnell es geht, ins Büro. Wir haben viel zu besprechen.“ Damit legte er auf. Und mir blieb nichts anderes übrig, als das zu tun, was mir gesagt wurde. Also machte ich mir einen Tee, setzte mich ins Auto und fuhr, so schnell es mir mein noch immer schlaftrunkener Körper erlaubte, in mein Büro. Als ich wenig später dort ankam, wurde ich von meinem Partner Dr. West bereits erwartet. Ich begrüßte ihn mit einem :“Was fällt Ihnen eigentlich ein, mich um 3 Uhr nachts anzurufen?“, aber er tat so, als hätte er das nicht gehört und sagte nur: „Sherlock, gut dass Sie endlich da sind. Bitte setzen Sie sich. Wie gesagt, gibt es einen Notfall.
Es wurde jemand ermordet.“ Mir stockte der Atem. Ich hatte schon lange keinen Mordfall mehr gehabt, in letzter Zeit war es sehr ruhig gewesen, doch langsam mischte sich zu der anfänglichen Aufregung auch Vorfreude, endlich mal wieder ein gutes Rätsel lösen, und wieder richtig ermitteln zu können. Mein Partner redete weiter: „Der Vertreiber und Chef einer fair trade Kaffee Firma wurde letzte Nacht erstochen. Wir gehen bis jetzt davon aus, dass es einer seiner Mitarbeiter gewesen sein könnte. Das Opfer heißt übrigens Sven Müller und ist 34 Jahre alt,“ berichtete mir mein Partner. „Was wissen wir noch?“ fragte ich. „Nur die Adresse seiner Firma und Wohnung, sowie sämtliche Namen der Mitarbeiter des Opfers“, antwortete Dr. West. „Interessant“, bemerkte ich.
Ich merkte, wie mich die Müdigkeit von 3 Uhr wieder überkam. So gern ich auch jetzt gleich mit meinem Fall begonnen hätte, so müde wie ich war, hätte ich wahrscheinlich nur Mist gebaut, anstatt irgendetwas zustande zu bringen. Also beschloss ich, mich noch einmal ins Bett zu legen und erst am nächsten Morgen zu beginnen. Dr. West schien meine Gedanken lesen zu können, denn er riet mir: „Sherlock, legen Sie sich noch einmal ins Bett, wir beginnen morgen zu ermitteln.“ Mit diesen Worten stand er auf und verließ das Büro. Ich tat es ihm nach. Zu Hause angekommen schaute ich auf die Uhr: es war bereits 5 Uhr morgens. Kurze Zeit später lag ich wieder im Bett, konnte jedoch nicht einschlafen, denn ich dachte noch lange Zeit über meinen neuen Fall nach. Irgendwann musste ich aber doch eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war es bereits 9 Uhr. 9 Uhr!
Ich sollte bereits seit 2 Stunden bei der Arbeit sein! So schnell ich konnte, zog ich mich an und aß noch schnell eine Kleinigkeit. Ich sprang förmlich ins Auto und fuhr los. Ich ließ jedes Stopp-Schild, die Tempolimits und Ampeln außer Acht (Was dazu führte, dass ich einige Wochen später ein paar unschöne Briefe der Polizei in meinem Briefkasten vorfand. Das ist für diese Geschichte allerdings uninteressant.). Kurz darauf war ich angekommen. Völlig außer Atem rannte ich die Treppe, die zu meinem Büro führte, hinauf. Ich war nicht überrascht, als ich total erschöpft oben ankam und dort meinen Partner traf. “Hallo Sherlock, gut dass Sie kommen. Ich habe einiges über das Opfer herausgefunden. Sehen Sie sich das mal an.“, begrüßte er mich. Ich trat näher und sah einen kleinen Stapel Blätter auf dem Tisch von Dr. West liegen. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, worum es sich dabei handelte. „Sie haben das Opfer gegoogelt?“, fragte ich ihn entsetzt. „Nun ja,“ antwortete mein Partner „wir können aus irgendeinem Grund erst in 2 Stunden den Tatort besichtigen, deshalb dachte ich, dass wir so vielleicht schon ein paar Informationen mehr bekommen können.“
In den folgenden zwei Stunden lasen wir uns alle Infos, die Google uns zu diesem Thema geben konnte, durch. Dabei fanden wir wirklich einiges Interessantes heraus: Wie wir ja schon wussten, heißt das Opfer Sven Müller und ist 34 Jahre alt. Seine Firma heißt Fair World coffee und wurde 1997 gegründet. Er wurde immer wieder in den vergangenen 10 Jahren angeklagt, da schon länger der Verdacht besteht, dass seine Firma einfach ganz normalen Kaffee vertreibt. So hat er sich viele Feinde gemacht. Nach einiger Zeit beschlossen wir uns jetzt mal den Tatort anzusehen. Wir fuhren zu der Firma, wo der Tathergang stattgefunden hatte. Als wir sie betraten, waren wir beeindruckt. Eine so hässliche Firma hatte selbst ich noch nicht gesehen.
Sie war zwar groß, aber die Wände waren in kaltem Grau gehalten und an den Wänden hing kein einziges Bild. Ein Polizist der Spurensicherung führte uns zum Tatort. „Wir haben dort einige Fußabdrücke entdeckt, die Schuhe, von denen sie stammen, haben Größe 44. Sie stammen von einem Männerschuh“, berichtete er uns. „Gucken Sie sich ruhig noch ein bisschen um, ich habe noch Einiges zu tun.“ Mit diesen Worten verließ er uns. Wir fanden auch nichts mehr und wollten gerade wieder ins Büro fahren und Google befragen, als ich einen Anruf bekam. Es war ein Mitarbeiter der Polizei, der mir sagte, dass wir auf die Polizeiwache kommen sollen und einige Mitarbeiter des Opfers befragen können. Wenig später waren wir da. Zuerst befragten wir eine junge Dame, die uns beiden sehr unsicher und schüchtern vorkam.
Sofort wussten wir: Sie war es nicht. Sie war viel zu schüchtern. Mal ganz davon abgesehen, dass sie Schuhgröße 36 hatte, wie wir feststellten. „Alles was ich Ihnen dazu sagen kann, ist dass der Stellvertreter von Herr Müller, er selber und ich noch bis spät abends im Haus waren. Gegen 21 Uhr sah ich eine Gestalt aus dem Haus gehen, es war bereits dunkel und ich konnte nicht erkennen, wer es war. Mir kam das sehr merkwürdig vor und ich ging in das Büro meines Chefs, Herrn Müller. Dort fand ich ihn dann tot auf und sein Stellvertreter Herr Hagel war nirgends in der Firma zu finden. Dann rief ich sofort die Polizei und den Rest kennen Sie ja.“ Damit stand die Sache fest. Nun mussten wir nur noch Herrn Hagel finden. „Vielen Dank für Ihre Mithilfe. Konnten Sie sehen, wohin Hagel geflüchtet ist?“ „Ich glaube, er ist in eine Burgruine nahe der Firma gefahren.“ Damit war das Verhör für uns beendet. Wir ließen sie wieder gehen und bedankten uns vielmals bei ihr.
Wir fuhren zusammen mit fünf Mitarbeitern der Polizei zur besagten Ruine. Dr. West und ich bekamen jeder eine Waffe. Im Auto wurde mir mulmig zumute. Um mich ein bisschen abzulenken, prüfte ich meine Waffe immer und immer wieder. Ich nahm das Magazin heraus, schaute ob sie geladen war und so weiter. Als wir dann für meinen Geschmack viel zu schnell da waren, war ich ernsthaft kurz davor einen Nervenzusammenbruch zu erleiden. Die Polizeibeamten würden vorerst im Dunkeln bleiben, um dann einzugreifen, wenn es brenzlig werden könnte. Wir stiegen aus und sahen uns um. Nichts. Doch plötzlich hörte ich eine Stimme, die sagte: „Ich wusste doch, dass ihr irgendwann hier auftauchen würdet.“ Ich fuhr herum.
Und erst in diesem Moment bemerkte ich, wie verdächtig leicht sich meine Waffe anfühlte und da wurde mir klar, dass ich das Magazin nicht wieder hineingetan hatte. Unsere Kollegen schienen das auch in genau diesem Moment zu bemerken, denn genau in diesem Augenblick kamen sie um die Ecke. Und dann ging alles ganz schnell. Hagel rannte und ich hörte einen Knall. Sofort spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Schulter. Die Beamten verfolgten ihn und bekamen ihn zu fassen. Sie legten ihm Handschellen an und brachten ihn zum Wagen. Der Schmerz in meiner Schulter wurde immer stärker. Mir wurde schwindelig. Ich spürte wie ich langsam zu Boden ging. Alles was ich noch hörte war, wie mein Partner Dr. West rief: „Wir brauchen einen Krankenwagen, sonst verblutet er!“ Ich hörte Schritte. Dann wurde alles dunkel.
Epilog
Drei Wochen später
Wieder einmal fahre ich mit meinem Partner auf Streife, denn ich habe beschlossen, noch eine Ausbildung als Polizist zu machen, um mich bei meinen Einsätzen besser zur Wehr setzen zu können. Es ist jetzt schon 3 Wochen her. Hagel wurde zu lebenslanger Haft wegen Mordes und Körperverletzung verurteilt. Dabei ist rausgekommen, dass die Firma tatsächlich, die ganzen Jahre über normalen Kaffee verkauft hat und damit Millionen gemacht hat. Hagel hat behauptet, dass er Müller umgebracht hat, weil er die ganzen Jahre wusste, dass es kein fair trade Kaffee war, und weil er seinen Posten einnehmen wollte. Ob das stimmt, weiß nur er selbst, aber ich ließ mir sagen, dass er glaubwürdig schien.
Wenn eine Geschichte so gut ausgeht, freue ich mich immer, dass ich diesen Beruf ausüben darf, denn meine Arbeit steht - und das tat sie schon immer - unter dem Motto: Fair World - für eine faire Welt.
11 Jahre