Leider adelig

 

 

 

 

 

Es war einmal in einem weit weit entfernten Lande eine Prinzessin, die vom großen Glück träumte. Dieses Glück wollte sich aber nicht für sich allein, sondern mit einem lieben Mann teilen, am besten ein einfacher Bürgerliche, der sich nicht mit seinen Reichtümern umgab, sondern nur sie liebte und für sie da war. Diese Prinzessin hieß Frederike von Meilenstein. Sie lebte in einem prächtigen Schloss mit vielen Dienern und Zofen. Mit Frederike lebte auch ihrer Tante in diesem Schloss. Die Tante hielt nicht viel von Frederikes Träumerei. Daher organisierte die Tante einen großen Ball an dem alle unverheirateten Männer teilnehmen sollten. Alle? Nein nicht alle. Die Tante legte strikt fest, dass nur adlige Männer kommen durften. Frederike wusste nicht, dass nur Adelige kommen durften, deshalb freute sie sich, denn sie dachte, alle jungen und unverheirateten Männer würden kommen. „Bürgerliche Männer sind viel bescheidener als die arroganten Adeligen“, sagte Frederike ihrer ersten Kammerzofe und bereitete sich für das große Fest vor.

 

 

 

Die Zofen kämmten ihr langes goldbraunes Haar und frisierten es zu einer eleganten Hochsteckfrisur. Sie zogen ihr ein himmelblaues und mit hunderten von glitzernden Perlen besticktes und mit Spitze und Rüschen besetztes Ballkleid an. Außerdem trug Frederike das Diadem ihres Verehrers: Prinz Johann von Sachsen. Das goldene Diadem war mit unzähligen Saphiren und Diamanten besetzt. Frederike machte sich nicht viel aus Gold und Edelsteinen, aber ihre Tante liebte Prinz Johann und bestand darauf, dass Frederike das Diadem trug. Schließlich kam ihr Verehrer heute. Nach ungefähr einer Stunde war Frederike komplett eingekleidet.

 

Sie ging den langen Gang bis zum großen Saal entlang, alleine und gleichzeitig sehr nervös, denn heute sollte sie sich ihren Ehemann auswählen.

 

 

 

Für ihre Tante war die Entscheidung ganz klar: Prinz Johann von Sachsen. Frederike mochte ihn aber nicht.  Er war ein Prinz, ja, aber er hatte eine Art, die ihr nicht gefiel. Sie war an der Treppe des Saales angekommen und da ertönten auch schon die Trompeten und der Herold schrie: „Die Prinzessin von Meilenstein! Prinzessin Frederike von Meilenstein!“ Ihr stockte der Atem. Jeder der Männer hier hatte einen Orden oder zwei oder drei. Keiner sah einfach aus, es waren alles Prinzen, Grafen oder Herzöge. Das wurde ihr jetzt klar. Sie ging die lange Treppe hinunter und dort empfang sie auch schon Prinz Johann. Ein großer, starker und gut aussehender junger Mann. Jede Frau im Saal beneidete Frederike - war doch allen bekannt, dass die beiden sich heute verloben würden. Frederike hatte aber gar keine Augen für Prinz Johann und ließ ihn einfach stehen. Sie war verärgert, dass ihre Tante nur adelige Junggesellen eingeladen hatte, dabei kannte sie doch die Meinung ihrer Nichte darüber. Und das alle über die angebliche Verlobung mit Johann tuschelten ärgerte sich auch sehr.  Frederike sah wie ihre Tante gerade mit dem Grafen von Würzburg ein Schlückchen Wein trank. Sie lief mit langen Schritten zu ihrer Tante. „Wieso hast du mir nicht gesagt dass nur Prinzen, Grafen oder Herzöge kommen?“, fragte sie in einem rüden Ton. „Verzeihen Sie, Herr Graf “, sagte die Tante, ergriff hart Frederikes Arm und ging mit ihr hinaus in einen anderen Salon. „Was fällt dir ein mit mir vor dem Grafen so zu reden!“, empörte sich die Tante. „Du hast mich lächerlich gemacht!“ Aufgebracht warf sie Frederike einen finsteren Blick zu. „Aber warum hast du mir denn nicht gesagt, dass nur der Adel da sein wird?“, fragte Frederike schrill. „Du hättest nie an dem Ball teilgenommen, wenn ich es dir erzählt hätte“, sagte die Tante zu ihrer Verteidigung. „Gewöhnliche Männer sind nichts für Dich! Du sollst einen Prinzen oder einen Herzog heiraten, wenn es sein muss auch einen Grafen, aber du musst einen Adligen heiraten! Am besten Johann, der legt Dir die Welt zu Füßen. Und damit basta!“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.

 

 

 

Frederike schoßen die Tränen in die Augen. Da klopfte es an der Tür. „Herein“, murmelte sie und wischte sich schnell die Augen trocken. Ein junger Mann trat ein. Es mußte einer der Diener eines Adeligen sein, dachte Frederike, er war schließlich einfach gekleidet. Ihr fielen sofort seine dunkelblauen Augen auf, die sie verständnisvoll anschauten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Alles in Ordnung, Prinzessin?“, fragte er mit seiner freundlichen Stimme. „Ja, alles in Ordnung. Ich fühl mich nur nicht nach Tanzen“, erklärte sie schluchzend. „Soll ich mich zu ihnen setzen?“, fragte er. „Ja, gerne“, sagte die Prinzessin. Der Diener setzte sich auf das Steinbänkchen, auf dem Frederike saß.

 

 

 

Frederike konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und weinte bitterlich. „Ich wollte doch nur das große Glück finden, mit einem ganz normalen Mann. Meine Tante macht alles kaputt. Ich will jetzt gar nichts mehr, und schon gar nicht den schrecklichen Johann und überhaupt auch keinen anderen Prinzen oder sonstigen Adeligen“, jammerte Frederike. „Es wird schon wieder alles gut“, beruhigte der Diener sie, und berührte Frederike leicht am Arm. Spontan legte Frederike ihren Kopf auf seine Schulter. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich verstanden und auch von einer Person angezogen. In ihrem Bauch kribbelte es -  was hatte das nur zu bedeuten?

 

Plötzlich riss jemand die Tür auf. Es war Prinz Johann. Er schrie beide an: „Was ist hier los?“ Was tust du hier, lass die Prinzessin in Ruhe, wie kommst du überhaupt hier her? Geh, geh raus!“, schrie Johann.“Es ist besser du gehst“, flüsterte Frederike schnell. „Wenn ihr mich braucht, bin ich für Euch da“, sagte der Diener, stand auf, verbeugte sich vor Frederike, und ging am vor Wut schäumenden Johann vorbei.

 

 

 

„Warum musstest du denn so schreien, er hat doch gar nichts gemacht!“, sagte Frederike empört. „Ach ja, Prinzessin, jeder weiß dass ICH dein Ehemann werde. Erst lässt du mich einfach stehen, und dann vergnügst dich mit einem Diener“, schrie Johann sie schrill an. „Na und?“ rief Frederike und lief hinaus, um den Diener zu suchen. Auf dem Weg, sah sie ihre Tante, die sich ihr in den Weg stellte. „Komm schnell, es ist gerade ein Prinz eingetroffen, ein sehr schneidiger Prinz.“ Frederike verdrehte die Augen, kam aber mit. Vor der Tür zum großen Saal richtete Tante Frederike ihr das Kleid nochmal und zwinkerte ihr zu: „Vertrau auf dein Herz!“ „Seit wann sagst du denn ich soll meinem Herzen vertrauen?“, wunderte sie sich. Die Tante lächelte sie geheimnisvoll an. Frederike lief erneut die große Treppe hinunter, nur dieses Mal, stand jemand anderes am Ende der Treppen. Ein freundlich aussehender Prinz in blauer Uniform. Frederike wusste nicht, ob es Zufall war, aber der Prinz sah aus wie der Diener. „Prinz“  der Herold stoppte kurz, sagte dann aber, „Prinz Leopold von der Niederpfalz!“ Prinz Leopold grinste Frederike an, und bevor diese noch etwas sagen konnte, forderte er sie zum Tanz auf. Ohne ihre Antwort abzuwarten führte er die verdutzte Frederike auf die Tanzfläche. Sie wusste nicht, ob es Zufall war, aber irgendwie fühlte sie sich von Prinz Leopold genau so angezogen, wie von dem Diener. Und seine Augen waren genau die des Dieners.

 

 

 

Prinz Leopold war der erste Prinz, der ihr gefiel. Nach den ersten Tanzschritten begann ein Tuscheln, das kaum zu überhören war. Aber das nahm Frederike nicht wahr, sie sah nur Prinz Leopold und verlor sich in seinen dunkelblauen Augen. Leopold sprach auch so wie der Diener „Prinzessin, darf ich sie etwas fragen?“, fragte der Prinz. „Gerne“, antwortete sie. „Weshalb mögen sie den Adel nicht?“, wollte er wissen. Frederike runzelte die Stirn, wieso stellte er ihr so eine Frage? „Ich habe nichts gegen den Adel, ich mag es nur nicht, wenn der Adel sich arrogant verhält und mit seinen Reichtümern prahlt“, antwortete sie. „Aber ihr seid doch selber Adel, ihr seid eine Prinzessin“, warf  Prinz Leopold ein. „Das stimmt, aber ich protze nicht mit meinen Reichtümern und behandele alle Menschen gleich“, sagte sie. Plötzlich spielten die Musiker die letzten Takte und Frederike realisierte erst jetzt dass sie den ganzen Tanz getanzt hatte, ohne darauf zu achten wo sie ihre Füße absetzte, denn normalerweise war sie immer hoch konzentriert, um auch ja nichts falsch zu machen. Mit Leopold ging alles anscheinend ganz einfach. Prinz Leopold geleitete sie von der Tanzfläche in den Schlossgarten. Die Gäste schauten ihnen nach und es begann erneut ein Getuschel, lauter als vorher. Neugierige und freundliche Blicke folgten dem Paar. Der Einzige, der sehr grimmig aussah war Prinz Johann. Er kannte Prinz Leopold nicht. Deshalb war er sehr misstrauisch.

 

 

 

Im Garten angekommen, führte Leopold Frederike direkt zur Bank, auf der sie vorher mit dem Diener gesessen hatte. Frederike fragte misstrauisch: „Warum kennst du dich so gut hier aus, dabei habe ich dich noch nie hier gesehen?!“ „Ich war schon hier“, er hielt sich den Mund zu, sagte dann aber noch hastig dazu, „Ich meine nicht hier, ich meine, unser Schloss hat auch einen so angelegten Garten, wir hatten den gleichen Architekten.“ Er lächelte sie vertrauensvoll an, dass Frederike es im fast geglaubt hätte, was sie natürlich nicht tat. Sie murmelte einfach vor sich hin: „So so.“

 

 

 

 

 

Sie setzten sich auf die weiße Steinbank, die in mitten vieler Rosen stand. Die Perlen auf Frederikes Kleid schimmerten im Mondschein und es sah fast aus als ob Frederike von hunderten von Sternen umgeben war. Frederike fühlte sich so wohl mit Leopold, dass sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, genau wie damals bei dem Diener. Sie hatte genau das gleiche Gefühl. Es konnte kein Zufall sein. Genau in diesem Moment kam Johann mit hochrotem Kopf angerannt. „Betrüger, Lügner, verschwinde!“, schrie er Leopold an und versuchte Frederike von der Bank mit sich zu ziehen. „Lass mich los, Du schrecklicher Mensch!“ kreischte Frederike und versuchte sich loszureißen. Leopold war bereits aufgesprungen und stellte sich vor die schluchzende Frederike. „Du verschwindest jetzt besser, Johann“, schrie Prinz Leopold Johann an. „Du hast mir gar nichts zu sagen, Du dummer Diener!“ Johann zog an Leopolds Uniform und versucht ihm ins Gesicht zu schlagen. Leopold duckte sich weg und Johanns Faust schlug in die Luft. Zwischenzeitlich hatte der sportliche Leopold Johann umklammert und hielt in fest. „Es reicht!“, die Tante kam mit großen Schritten aus dem Dunkeln, umringt von mehreren Soldaten. „Du gehst jetzt besser“, rief sie Johann zu. „Lass ihn los“, flüsterte Frederike Leopold zu. Der den sich immer noch windenden Johann frei gab, der in die dunkle Nacht rannte. „Verzeiht diesen Zwischenfall, Prinz Leopold“, sagte die Tante mit der freundlichsten Stimme, die Frederike je von ihr gehört hat. Sie nickte den beiden zu und ließ sich von den Soldaten zum Schloß zurückbegleiten.

 

 

 

Frederike ließ sich auf die Bank fallen: „Wer oder was bist Du, jetzt wirklich?“ „Ich bin wirklich Prinz Leopold“, lachte dieser. „Ich wollte sehen, wie Du Dich verhältst, wenn Du mich als einfachen Diener kennen lernst, nicht als Adeligen. Ich konnte ja nicht wissen, dass Du bürgerliche Männer lieber magst als Prinzen“, zwinkerte er der verdutzten Frederike zu. Noch bevor die Prinzessin etwas erwidern konnte, sank Leopold vor ihr auf die Knie, nahm ihre Hand und sagte ernst: „Frederike, Prinzessin von Meilenstein, willst Du meine Frau werden? Auch wenn ich nur ein Prinz bin?“ Frederike lachte laut: „Ja, ich will Dich heiraten, auch wenn Du leider adelig bist!“

 

Und sie lebten glücklich als Prinz und Prinzessin bis zum Ende ihrer Tage.

 

 

 

 

 

 

 

12 Jahre