Das System
Es ist das Jahr 2150
Ich, Elisa, lebte zwar schon ein Jahr in Frankfurt, doch fühlte ich mich hier alles andere als wohl. Hier in Frankfurt lebten die Menschen alle nach einem System. Die Stadt schrieb einem vor, wie man sein sollte. Es gab Listen, auf denen stand, was in welchem Alter angemessen war. Alle auf meiner Schule interessierten sich nur für sich selbst. Keiner hatte wirklich Freunde, wegen des Konkurrenzkampfes. Ich wurde sogar ausgeschlossen, weil ich anders war. Noch vor einem Jahr lebte ich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Marburg, dort kannte jeder jeden und alle hatten zusammengehalten. Gerüchten zu Folge hatten sich schon einige wegen diesen Listen das Leben genommen. Sie entsprachen nicht den sogenannten Maßen und als ich das gehört habe hat es mich sehr entsetzt und traurig gemacht. Ich ging in die 10. Klasse und genau das war die schlimmste Zeit, da die Liste für 15-17-Jährige Jugendlichem längsten war. Seit ich auf die neue Schule, in Frankfurt, gehe frage ich mich, ob Frankfurt schon immer so ein grausamer, oberflächlicher Ort war?
Als ich heute aufwachte wusste ich nicht, was mich heute alles erwarten würde. Ich wurde wie jeden Tag zur Schule gefahren. Da mein Dad noch seinen alten Jeep, in Rot fuhr, erntete ich schon immer am frühen Morgen komische Blicke, denn es war üblich, dass jeder einen weißen oder schwarzen BMW oder Mercedes fuhr. Bevor ich durch den großen Haupteingang gehen durfte, musste ich mich mit meinem Fingerabdruck ausweisen. Das musste jeder der die Schule betrat machen, aufgrund der gestiegenen Kriminalitätsrate. Als ich in der Schule war ging ohne Umweg in den Raum in den der 1. Kurs des Tages war. Heute war es eine Doppelstunde Mathe, unter der Aufsicht von Mr. Montgomery. In den Großstädten gab es keine Lehrer mehr, nur noch Aufsichtspersonen. Die meisten Klassenräume sahen identisch aus. Sie waren alle Weiß gestrichen, die Tische mit den Computern, standen an der Wand und vorne war ein großes Whiteboard. Jeder hatte einen Computer, dieser erklärte einem neue Themen, beatwortet alle Fragen und stellte Aufgaben. Dort wo ich vorher gewohnt hatte unterrichten noch Lehrer. Nach dieser Doppelstunde beging die erste Pause, ich wollte mir ein Brötchen am Kiosk holen, deshalb lief ich etwas schneller, bevor alle guten Brötchen ausverkauft waren, jedoch passte ich nicht ganz auf, und prallte mit einem kleinen Mädchen zusammen. Ich entschuldigte mich eilig, erwartete schon einen hasserfüllten, arroganten Blick und spöttische Bemerkungen, doch das Mädchen lächelte und sagte nur : "Ach. Nicht schlimm. Sei froh, dass du nur in mich reingerannt bist und nicht in eine von denen da." Sie zeigte mit ihrem Finger auf eine Gruppe von Mädchen, die fast alle mehr oder weniger dasselbe trugen, so taten als würden sie sich mögen und gleichzeitig nur arrogante Blicke austauschten. Ich war erstaunt und brachte nichts anderes als: „WoW. Du bist anders." heraus. Sie schaute mich schief an und lachte. „Du bist die neue nicht? Elisa, richtig?" Ich nickte. "Ich bin Leonie. Du scheinst dich hier auch noch nicht so richtig wohlzufühlen und es scheint mir, als würdest du das System in Frankfurt ebenfalls nicht mögen.“ "Es nicht mögen? Ich hasse es! Es macht die Menschen hier zu gehirnlosen, oberflächlichen, zombieartigen Wesen." Sie lachte und auch ich musste lachen. Sie erwiderte nur: „Komm mit, ich glaub ich weiß, was dir gefallen könnte!" Sie zog mich an meiner Hand hinter sich her bis wir an der Schulbibliothek ankamen. Auf dem Weg dorthin hatte sie nur gesagt: „Ich hätte nie gedacht, auf diese Schule noch jemanden zu treffen, der sich nicht nach diesem System richtet.“ Sie legte ihren Schülerausweis auf den Scanner und die Tür, zur Bibliothek öffnete sich. Sie ging schnurstracks zu einem Regal, welches ziemlich in der Ecke stand und dessen Bücher ziemlich Alt aussahen, im Vergleich zu den ganzen neuen Büchern. Sie suchte kurz und fand das Buch, das sie gesucht hatte. Sie grinste mich an und sagte:" Lass uns doch jetzt einfach schwänzen." Ich verstand nicht ganz, weshalb sie schwänzen wollte, um ein Buch zu lesen, doch schon 10 Minuten später waren wir auf dem Weg zu mir, da meine Eltern nicht da waren. Zu Hause setzten wir uns ins Wohnzimmer und sie packte das Buch aus. Auf dem Einband stand: Das 21. Jahrhundert und die Erinnerung daran. Sie bat mich, ihr ein Glas mit Leitungswasser zu holen, also ging ich in die Küche und füllte ein Glas mit Wasser und brachte es ihr ins Wohnzimmer. Als ich es ihr gab schüttete sie das Wasser einfach auf den Boden. Ich schrie sie an: „Hast du sie noch alle?" Sie guckte mich nur an, nahm das Buch und warf es in die, grade entstandene Pfütze. Jetzt war es klar. Das System musste sie durchdrehen lassen. Doch plötzlich versank das Buck einfach in der Pfütze und im Boden. Es war weg. Ich guckte sie komisch an, doch sie grinste nur. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte ein über hundert Jahre altes Buch in einer Pfütze aus Leitungswasser aus meinem Wohnzimmer verschwinden. Als ich wieder zur Pfütze guckte, leuchtete diese. Leonie sagte nur, scheinbar gelangweilt: „Spring!" "Ich soll in die Pfütze springen?" Sie nickte. Jetzt hielt ich sie für vollkommen verrückt, doch als ich meine Hand auf den Boden der Pfütze legen wollte, fand ich keinen Boden. Dort war eine Art Loch und ich lehnte mich darüber um es genau anzugucken, doch Leonie stand auf und schubste mich einfach hinein. Ich hatte das Gefühl ewig zu fallen, doch nach 30 Sekunden spürte ich festen Boden und war erleichtert. Doch ich blickte mich um und hatte keine Ahnung wo ich war. Ich hatte Angst und blickte mich um. Wo war ich hier und wie kam ich wieder zurück? Nach längerem Umblicken kam mir das Gebäude bekannt vor, doch es war so anders, so bunt. Doch plötzlich wurde es mir klar. Das Gebäude in dem ich stand war meine Schule! Doch es hatte abgesehen von der Form und der Struktur keine Ähnlichkeit mit der Schule, die ich kannte. Es war bunt hier, die Wände waren nicht weiß, sondern gelb und grün und rosa. Ich fand es wunderschön hier. Ich erschrak, als ein lauter Gong ertönte und Schüler aus ihren Klassenräumen strömten. Ich sah mich um und sah aller Art Menschen. Sie alle hatten unterschiedliche Frisuren, sie trugen aller Art Klamotten und vor allem sie liefen in Gruppen und taten etwas, das ich lange nicht mehr in meiner Schule gesehen hatte. Sie lachten gemeinsam, Miteinander. Dies war anscheinend Frankfurt, bevor das System eingeführt wurde. Ich versuchte ein Mädchen anzusprechen, doch sie schien mich nicht zu hören. Wenige Minuten wurde mir klar, dass mich keiner sehen noch hören konnte. Also suchte ich den Vertretungsplan, welcher noch aus Papier war und an der Wand hing, um auf das Datum zu gucken. Als ich ihn fand war ich wie erstarrt. Es war Mittwoch, der 18.07.2018. Wieder blickte ich mich um. Ich sah so viel Individualität und in diesem Moment war ich glücklich. Frankfurt war nicht immer ein so grauenvoller Ort gewesen. Ich sah sogar zwei Jungs Händchen halte. Plötzlich wurde ich traurig. Was war nur aus dieser Welt geworden? War die Arroganz und der Egotismus der Menschen wirklich so groß geworden? Sie hatten sich selbst alles Schöne aus dem Leben genommen. Für was? Erfolg und Geld? Plötzlich, von den einen auf den anderen Moment, musste ich weinen. Ich ließ mich auf den Boden fallen und legte den Kopf in meine Knie. Auf einmal merkte ich, dass jemand vor mir stand. Es war Leonie. Sie lächelte mich leicht an, setzte sich neben mich und legte einfach nur den Arm um mich. Ich fing an zu schluchzen: „Was ist nur aus all dem geworden? Die Welt ist schrecklich geworden. Ich will hierbleiben!" Sie antwortete nur:" Das kannst du nicht. Spätestens in 10 Minuten ist die Zeit um" Ich stand einfach auf und ging zu einer Bank, setzte mich hin und genoss den Anblick. Ein blondes, hübsches Mädchen blieb vor mir stehen und flüsterte:" Du kannst etwas bewegen." Ich war erstaunt, dass sie mich sehen konnte. Das Mädchen lächelte mich aufmunternd an und ging weiter. Bevor sie die Treppe hochging drehte sie sich noch einmal um und winkte Leonie, welche sich inzwischen neben mich gesetzt hatte. "Das ist Luna, sie ist besonders, ja" Ich schaute sie an und fragte sie wieso Luna mich sehen konnte. Leonie wusste es selbst nicht so genau. „Ich schätze sie kommt auch aus einer anderen Zeit“, sagte Leonie als wäre es nichts Besonderes. Ich blickte mich noch ein letztes Mal um, bevor sich alles auflöste und sich wieder in mein Wohnzimmer verwandelte. Leonie musste wenig später nach Hause, bevor ich die Tür hinter ihr schloss fragte ich wie es zu dieser Veränderung kam. Sie sagte nur es hing mit dem Krieg vor 20 Jahren zusammen. Diese Nacht konnte ich nicht schlafen ich verstand nicht was Luna damit meinte ich könnte etwas bewegen. Doch plötzlich hatte eine Idee, setzte mich an meinen Laptop und schrieb eine Geschichte über das System und wie schön es damals war. Als ich 2 Stunden später fertig war, nannte ich die Geschichte:“ Das System“, las ich mir alles noch einmal durch und veröffentlichte es auf der offenen Schulwebsite, unter einem anonymen Namen. Auch drucke ich sie aus und hing sie überall in der Schule auf. Es wusste keiner, dass ich die Autorin war, doch schnell sprach sich mein Text rum. Klar wurde auch schlecht über ihn geredet, jedoch merkte ich wie sich die Atmosphäre veränderte. Innerhalb der nächsten Wochen hatten sich an der Schule Cliquen gebildet und Leute wurden mehr akzeptiert. Ich verbrachte, seitdem ich Leonie kannte, jede Pause mit ihr. Es hatte zwar nichts an dem System von Frankfurt geändert und die Listen waren noch da, aber es hatte etwas bewegt und das alles geschah nur durch meine Begegnung mit Leonie und der Vergangenheit.
14 Jahre